Ferien in Wanne-Eickel

Lieselotte Wright-Villier ist keine Wanne-Eickelerin - und hat auch nie in unserer Stadt gewohnt. Aber sie hatte in ihrer Kindheit oft ihre Ferien in Wanne-Eickel verbracht. Frau Wright-Villier lebt heute in Bad Hersfeld.

Als Schulmädchen durfte ich die Ferien immer in Wanne beim Großvater sowie Onkel und Tante verleben. Der Opa wohnte in der Hagenstraße, eine schöne, ruhige Seitenstraße, die vor der damaligen Eisenbahnüberführung in Richtung Crange lag. Diese Bahnlinie war keine Hauptstrecke, meistens, aber recht selten rollten oberhalb des Bahndamms Güterzüge vorbei. Das änderte sich dann im Krieg, vom Küchenfenster oder vom Hof aus sahen wir dann ausnahmsweise auch einmal Personenzüge, aber es waren wohl Truppentransporte oder Sanitätszüge. Jedenfalls habe ich in diesem Haus, Hagenstraße 3, die schönsten Ferien verlebt. Gegenüber gab es noch Gärten und darin eingebettet ein schönes altes Fachwerkhaus. Wir Kinder durften immer dabei sein, wenn der Opa seinen Garten bestellte. Noch schöner aber war, wenn er uns in die Fischbratstube oder auf einen „Schock mit Sahne“ und Sahnehörnchen zu Steinmetz einlud, ein Kaufhaus mit Cafe-Betrieb. (beides Hindenburg Str.).

Parallel zur Hagenstraße verlief die Florastraße, dort wohnten vorwiegend Beamte und so hieß es allgemein „die mit dem Vogel auf dem Kopf.2 (jedoch in Platt, das ich nicht kann!). (Wegen ihrer Dienstmützen!) Meine Mutter, 1896 in Wanne geboren, erzählte auch oft von den Eingewanderten aus dem Osten, die oft stundenlang Dudelsack spielten, also nicht nur schottisches Privileg!

Der Friedhof lag gleich in der Nähe des Bahnhofs. Die Großmutter war kurz vor meiner Geburt gestorben und so führte uns der Weg oft auf diesen Friedhof. Opa schnitt die Hecke und wir durften den Abfall fortbringen. So freuten wir uns schon, wenn wir den Friedhof am Hinterausgang verließen und an dem nahegelegenen „Büdeken“ eine Limonade spendiert bekamen. Die Limonade war grasgrün oder rot in einer Glasflasche und oben mit einer Glaskugel verschlossen. Ich habe oft darüber nachgedacht, wie das eigentlich funktioniert hat, wahrscheinlich wurde durch das Aufpressen der Glaskugel ein Vakuum in der Flasche erzeugt.

Auf der Dorstener Straße hatten wir weitere Verwandte, heute geht eine Hochstraße über dem ehemaligen Grundstück meiner inzwischen längst verstorbenen Verwandten. Entgegengesetzt auf der Dorstener Straße, gegenüber dem Cranger Friedhof, wohnten ebenfalls Verwandte. Dort kehrten wir immer zur Cranger Kirmes ein, das war Tradition, zu diesem Zeitpunkt traf sich die ganze Verwandtschaft in Wanne. Unser Opa ging dann mit uns Kindern über den Festplatz und wir durften damals noch für 5 oder 10 Pfennig Karussell fahren. Die Wiesen hinter der Dorstener Straße bis zum Bahndamm waren besetzt mit Wohnwagen, damals noch aus Holz und mit Pferden und der Pferdemarkt war auch für uns Kinder spannend und interessant, vor allem auch die vielen Zigeuner in ihren farbenfrohen Kleidern. Die Verwandten hatten zur Cranger Kirmes in ihrem Hof einen Fahrradparkplatz eingerichtet und verdienten sich damit ein Zubrot.

Gerne besuchte ich auch immer meine Verwandten in Hordel, das war ein weiter Weg von der Hagenstraße, die Hindenburgstraße hoch am Bahnhof vorbei und dann hinter der Unterführung rechts ab. Das war eine richtige Idylle, Tante und Onkel hatten einen großen Garten und abends traf sich dort die ganze Nachbarschaft. Spannend war auch immer, wenn Onkel Willi Sonntags „auf dem Schlag“ saß und auf seine Tauben wartete.

Der Kanal und der Hertener Busch waren weitere Ausflugsziele und im Sommer wurde an der Böschung Schafgarbe gesammelt, zu Hause gebündelt und getrocknet, so hatte man Tee für den Winter. Viel Spaß machten auch die Kaninchen, die Opa im Hof in kleinen Ställen hatte, für uns ein richtiger kleiner Zoo.

Alles war einfach, bescheiden aber eine unvergessliche Kindheit mit lebensnahen Eindrücken. Wenn ich heute nach Wanne-Eickel komme bin ich traurig. Die Hagenstraße existiert gar nicht mehr und vieles ist zugebaut. Dennoch: „Die Erinnerung ist ein Paradies aus dem man nicht vertrieben wird.“

 

 

 

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