Merian: Land an der Ruhr (1958)

Der Castrop-Rauxeler Josef Reding schrieb einen Beitrag über Wanne-Eickel, der im Merian-Buch im Kapitel Großstädte im Kaleidoskop abgedruckt war. Wanne-Eickel mitten drin! Die Stadt war so stolz auf diese Würdigung, dass sie einen Teil der Auflage kaufte, auf der ersten Innenseite das Stadtwappen eindruckte nebst Widmung: “Freundlichst überreicht von der Stadt Wanne-Eickel” Hier der Originaltext:

Wanne-Eickel – Die Cranger Kirmes

 Wanne-Eickel, 1926 aus den Ämtern Wanne und Eickel gebildet, wurde im April 1955 Großstadt. Heute leben hier 110.000 Menschen. 1875 waren es in Wann 11.200. Bergbau und Kohleveredelung (in drei großen chemischen Fabriken) bilden das wirtschaftliche Fundament der Stadt. Sie ist weiterhin wichtig als Bahnknotenpunkt („Stadt der Tausend Züge“), als Hafen am Rhein-Herne-Kanal und als Thermalsolbad („Badestadt im Kohlenpott“) gegen Rheuma, Gicht, Skrofulose und Frauenkrankheiten. In dem Stadtteil Crange findet alljährlich im August die Cranger Kirmes statt, das größte Volksfest des Ruhrgebiets.

 „Zwölf Zechen in und um Wanne-Eickel melden mit konstanter Regelmäßigkeit an fünf Tagen im Jahr sinkende Förderziffern. Das ist die Zeit der Cranger Kirmes!“ so sagt ein Oberbergrat. Und er schmunzelt dabei. Wenn das Wort Cranger Kirmes wieder laut wird, schmunzelt eigentlich das gesamte Ruhrgebiet. Was dem Münchener sein Oktoberfest ist, bedeutet alljährlich zwei Millionen Besuchern de riesig dimensionierte Trubel der Kirmes zu Crange.
Zwei Millionen Menschen ziehen in ein Dorf, dessen Name längst aus dem Wortschatz des Ruhrgebietlers verschwunden wäre, hätten nicht… hätten nicht vor mehr als 500 Jahren Reiterbuben aus Crange im Sommer Wildpferdrudel aus dem nördlichen Emscherbruch zusammengetrieben und sie am St.-Laurentius-Tage, dem 10. August, im Schatten ihrer Dorfkirche und der Sandsteinburg des des Ritters Dirk von Eickel versteigert. Am Morgen des Laurentiustages hielt man feierlichen Patronatsgttesdienst zu Ehren des Schutzheiligen, am Nachmittag aber gab es Wildpferdgewieher, Bänkelsang, Brummbaß und Fiedel, Braunbier und Strangtabak. Unter dem farbigen Treiben des fahrenden Volkes war der Pferdehandel recht im Schwange.

Und obgleich dann die Pferde weniger wurden, nahmen die Menschentrauben in den Cranger Kirmestagen zu. Sie wurden angelockt durch das „Drumherum“ des Pferdemarktes, durch dieses Ventil der Ausgelassenheit, das sich das sonst so ruhige Westfalen aus innerem Bedürfnis heraus mit Crange geschaffen hatte.

 Josef Reding

 

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