Ruderverein Emscher : “Nun zieht mal tüchtig!”

In den GrĂĽndertagen: Aktive und Honoratioren des RV Emscher im Jahr 1927

Dass der Rhein-Herne-Kanal Anfang des vergangenen Jahrhunderts extra für die Ruderer gebaut wurde, stimmt natürlich nicht. Aber er passte gut. Schließlich braucht man zum Wettkampfrudern eine möglichst gerade Wasserstrecke ohne Strömung. Und so war es kein Wunder, dass sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs einige Rudervereine an dem neuen Gewässer gründeten. In Wanne-Eickel stieg man 1927 ins Boot. Und zwar unter dem ziemlich irreführenden Namen „Ruderverein Emscher“. Besagter Fluss war zwar auch schnurgerade. Hatte aber eine ziemliche Strömung. Und war zum Rudern etwas zu schmal.

Kaum lief das Wasser in den frisch gebauten Kanal, waren die Wanner ganz heiß aufs Rudern. Schon 1912 wären sie am liebsten in ihre Boote geklettert. Aber Sportboote waren auf dem kaiserlichen Wasserweg verboten. Schließlich hätten sie die Schifffahrt gefährden können. Ein Bittbrief an die Regierung 1914 wurde nicht bearbeitet. Der Kriegseintritt war wichtiger. Erst 13 Jahre konnten die Wanne-Eickeler den Verein dann ordentlich gründen. 1928, im zweiten Jahr des Vereins klettert ein talentierter Schüler ins Boot und

Ein schönes Bild: Anrudern 1953

ruderte einen Kilometerrekord. Robert Heitkamp hieß der Knabe. Stadtbekanntheit sicherte sich der ausdauernde Bursche aber weniger durch seine sportlichen als durch seine späteren Erfolge als Bauunternehmer. Dem RV Emscher blieb Heitkamp Zeit seines Lebens verbunden, als langjähriger Vorsitzender und treuer Mäzen. Was für den Verein absolut nicht unvorteilhaft sein sollte.

Den sportlichen Ruhm fuhren später dann andere ein. Seit den Fünfziger Jahren trieben ruderbegeisterte Lehrer (vor allem die des Jungengymnasiums) ihre Schützlinge dutzendweise in die Boote. Diese lagen, nicht gerade sehr malerisch, an einem Steg in einer winzigen Grünzone, die zwischen Kohlebergen, Kaimauern, Kränen, Schleuse und Lagerhäusern eingeklemmt war. Wer dort hinwollte, musste über die Schleuse in Crange laufen – oder einen Umweg über Brücken und Hafengelände machen.

Väter der Schülererfolge: (v.l.) Studiendirektor Willy Abendroth, Sportlehrer Alfons Lackner, WIlli Bolzenkötter und Erich Januschkewitz

Den sportlichen Höhepunkt im jungen Leben ganzer Schülergenerationen gab’s dann aber regelmäßig nicht in Wanne-Eickel, sondern im Sauerland: Ruderlager in Delecke! Spätestens im Verlauf dieser vier obligatorischen Tage am Möhnesee wollte das letzte Talent entdeckt sein, das dann im RV Emscher seinen Schliff bekommen sollte.

Mit Erfolg. Denn in den 60er Jahren gab’s reichlich Grund zum Jubeln. So fuhren im Jahr 1965 die RVE-Boote bei 161 Regattastarts 72 Siege ein. Außerdem gab es in diesem Jahr den ersten nationalen Titel: Der „Jungmann-Achter“ vom Bootshaus am Westhafen wird Deutscher Juniorenmeister! Und immer mehr Mädchen kletterten am Kanal in die Boote. Der Verein wuchs, der „Fuhrpark“ auch, und bald musste eine weitere Bootshalle ans Clubheim gebaut werden.

Der zweite nationale Titel folgte vier Jahre später: Diesmal war es der Doppelvierer mit Steuermann, der Deutscher Jugendmeister wurde. Mit im Boot der erfolgreichen Fünf saßen Winfried Firley und Walter Käß, die in den Folgejahren als Duo dann ordentlich abräumten. Den Siegen in internationalen Wettkämpfen und der Deutschen Jugendmeisterschaft im Zweier folgten dann Erfolge bei den Senioren, mal zu Zweit, mal als Mitglieder im deutschen Achter-Team. Und 1972 kamen dann sogar zwei Vize-Weltmeister nach Wanne-Eickel zurück, standesgemäß den Fans vom Autocorso zuwinkend Hubert Bohle und Wolfgang Popp saßen im erfolgreichen deutschen Jugendachter, der von Ruderprofessor Karl Adam in Ratzeburg zusammengestellt wurde.

Vize-Weltmeister: Wolfgang Popp (l) und Hubert Bohle

Der „Bundestrainer“ war natürlich auch mal am Kanal zu Gast. Guckte sich alles gründlich an und schrieb zufrieden ins Gästebuch des RV Emscher. „Alles; was fürs Rudern wichtig / habt Ihr hier, nun zieht mal tüchtig!“ Das taten die Wanne-Eickeler dann auch und heimsten in den „fetten“ Siebziger Jahren die Jugendtitel fast schon im Abonnement ein. Derweil lief die Abteilung „Talentsuche“ so richtig auf Hochtouren. Gerade die ruderbegeisterten Sportlehrer zerrten so ziemlich alles in die Boote, was halbwegs koordiniert laufen konnte. Es nannte sich – glaube ich – „Sport-Neigungsgruppe Rudern“, erinnerte aber eher an ein Casting. Wanne-Eickel sucht den Ruder-Star… oder so ähnlich.

Während manche bis heute nicht begriffen haben, was einem „Zweier ohne“ eigentlich fehlt oder was einen Vierer vom Doppelvierer unterscheidet, stiegen einige Wanne-Eickeler aufs Treppchen. Als zunächst letzter Deutscher Jugendmeister dieser für den RVE äußerst erfolgreichen Periode trug sich 1981 der Vierer ohne Steuermann ein. Mit im Boot ein gewisser Thomas Domian, der den Verein wenig später verließ. Sieben Jahre später jubelte der Untreue dann weltweit auf den Bildschirmen. Als Olympiasieger im Deutschland-Achter, 1988 in Seoul.

Mitte der Achtziger Jahre ruderte der RV Emscher dann wieder ganz vorne mit bei den Deutschen Meisterschaften, wie immer auch mit einer äußerst erfolgreichen Jugend. Matthias Tripp gelang dabei das Kunststück, in allen Altersklassen mindestens einen Titel für den RVE

In der Luft: Annina Ruppel, Steuerfrau des erfolgreichen Damen-Achters beim traditionellen Bad nach dem Titelgewinn.

zu holen. 1994 tauchten im Siegerboot der Junioren zwei Namen auf, die bis heute im nationalen und internationalen Rudersport einen guten Klang haben: Steuerfrau Annina Ruppel holte sich in den Folgejahren mehrere deutsche Titel und wurde mit dem Frauen-Achter 2001 und 2002 jeweils Dritte bei den Weltmeisterschaften, um dann 2003 nach ganz oben aufs Treppchen zu steigen.

Schlagmann des 94er-Bootes war Bernd Heidicker, der es Annina Ruppel bei den Junioren gleichtat und dann sowohl im Achter wie auch im Vierer ohne Steuermann auch als Senior höchst erfolgreich ruderte. Als einer von Vieren ohne Steuermann kam Bernd Heidicker 2002 dann sogar mit dem Weltmeister-Titel aus Sevilla zurück. Und wenn er nicht gerade im Leistungszentrum in Dortmund trainiert, dann finden Sie ihn bestimmt in Wanne-Eickel. Bei einem Spaziergang am Kanal vielleicht. Könnte gut sein, dass dann ein Weltmeister pfeilschnell auf dem Wasser an Ihnen vorbei zieht.

Noch ein Weltmeister aus Wanne-Eickel: Bernd Heidicker (l), Schlagmann des erfolgreichen Deutschland-Achters.

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